handeln(d) wandeln
Gefühlte tausend Aufgaben stehen an diesem Montagmorgen an.
Alle wichtig. Viele dringend.
Sorgsam und bewusst packe ich die Tasche vom Train the Trainer-Workshop vom Wochenende aus.
Verräume die Materialien, stecke I-Pod und Lautsprecher zum Laden an, sortiere Zettel und die Flip-Charts, bearbeite den Workshop nach.
Dabei kommen mir die wunderbaren Teilnehmenden wieder in den Sinn, ich reflektiere über schwierige Situationen und hinterlasse mir selbst liebevolle Notizen für den nächsten Lehrgangsdurchgang. Mit dem achtsamen Verräumen jedes einzelnen Stückes, beende und verarbeite ich bewusst meine letzte Arbeitseinheit und öffne mich damit für die neuen Abenteuer dieser Woche.
Vielleicht entsteht beim Lesen der Eindruck, dass ich dafür Stunden brauche – doch tatsächlich war es nicht einmal eine halbe Stunde und ich fühle mich nun klar und ausgerichtet für das nächste Vorhaben.
Dieses bewusste Beginnen und Beenden – bewusste Handeln – war mir jahrelang nicht möglich:
Ich rutschte von einer Aufgabe in die nächste,
erfüllte sie nach unbewussten Vorgaben und Erwartungen und
alle zu erledigenden Dinge saßen mir gleichzeitig im Nacken.
Wie geht es dir, wenn viel zu tun ist?
Während meiner angestellten Berufstätigkeit dachte ich immer, es seien die Arbeitsbedingungen, die mich unter Druck setzen. Doch in den ersten Jahren meiner Selbstständigkeit bemerkte ich:
„Nö, nö… der schlimmste Chef/die schlimmste Chefin der Welt sitzt in mir ;-)!“
Eigentlich hätte ich schon früher darauf kommen können, denn dieses Phänomen begegnete mir nicht nur während meiner Arbeitszeit, sondern auch beim Wäsche aufhängen, Staubsaugen, Einkaufen…
Weder die hoch geschätzte To-Do-Liste oder andere ausgeklügeltere Managementtechniken halfen mir, sondern Achtsamkeit in meinem Tun – brachte die Veränderung.
Durch Achtsamkeit im Tun bemerkte ich, was sich in mir abspielt:
Ich bemerkte die dauernde Anspannung: ich spürte sie tatsächlich in mir und wischte sie nicht mehr mit der schnellen gedanklichen Notiz: „ich bin angespannt“ weg. Nun war ich bereit meine harten Muskeln, den Knoten im Magen und die juckende Haut wirklich zu spüren. Durch dieses Sein mit den unangenehmen Körperempfindungen, lernte ich in diesen Situationen meine Zielorientierung loszulassen, in dem Moment anzukommen und wieder weich und fließend zu werden.
Ich bemerkte Tag für Tag den inneren – sehr, sehr gemeinen – Antreiber, der mich anfeuerte. Nun hörte ich ihm mal wirklich zu und erkannte seine Sorge um mich. So konnte ich nach und nach die Rollenverteilung in meinem Inneren wieder klären und das Ruder in die Hand nehmen.
Auch die Zweiflerin bemerkte ich, die meine Handlungen dauernd in Frage stellte und mich mal in diese Richtung jagte und dann wieder in die andere. Ich gab ihr die Achtsamkeit an die Hand und so lernten wir beide innezuhalten, auszurichten und in Klarheit Schritt für Schritt in eine Richtung zu gehen.
Achtsamkeit ist kein extra Hobby auf dem Meditationskissen.
Achtsamkeit gehört mitten in dein Leben auch zu den Dingen, die schwierig sind.
Achtsamkeit macht uns das Schöne bewusster und klarer.
Achtsamkeit macht uns aber auch das Schmerzhafte bewusster und klarer.
Achtsamkeit lässt uns nicht nur innehalten, sondern bringt uns auch ins Handeln.
Baue auf dem Meditationskissen die Energie der Achtsamkeit auf.
Lasse sie in einer Gruppe stärker werden und gleichzeitig übst du mit allen Dingen, die sich dir in deinem Leben zeigen – so auch mit deinem Handeln
beginnen wir mit dem Extratipp 🙂
anfangen – beenden
Jede Handlung hat einen Anfang und ein Ende.
Du kannst diesen Anfang und das Ende bewusst wahrnehmen.
Spürst du den Unterschied?
Du stolperst von einer Aufgabe in die nächste – oder:
Du bist dir bewusst, dass jetzt deine Handlung beginnt und du bemerkst auch ihr Ende.
Allein dadurch fließt Kraft in deine Handlungen.
Aus „Wischi-waschi“ Handlungen wird bewusstes Tun.
Bewusstes Beenden ist genau so wichtig wie bewusstes Beginnen. Es ist so, als würdest du die Kraft der Handlung bündeln, in dem du sie bewusst abschließt. Ansonsten gehen immer wieder kleine Gedanken (z.B. „habe ich das Licht ausgeschalten?“,“ ahja, das muss ich auch noch tu!“…) in diese Richtung (in die Vergangenheit) und zerstreuen deine Kraft.
Dieses bewusste Anfangen und Beenden ist ein Genuss und paradoxerweise bringt es uns in Fluss.
(kleiner Exkurs: Vielleicht kennst du das Anapanasati Sutra. In diesem Sutra empfiehlt uns Buddha dem ganzen Atemzug zu folgen und seinen Anfang und sein Ende zu bemerken. Vielleicht magst du dies unterstützend in der formellen Meditation im Sitzen und auch bei einfachen Tätigkeiten ausprobieren. Dabei spürst du, wie das Einatmen ins Ausatmen übergeht und umgekehrt. Und wirst immer genauer in deiner Wahrnehmung, wann und wie dieser Übergang (turning point) geschieht.)
innehalten
Durch das bewusste Beginnen kannst du
für einen Moment innehalten,
deinen Atem wahrnehmen und spüren:
Wie fühlt sich mein Körper an? Gibt es Spannung, Schmerzen, Unwohlsein,…?
Welche Gefühle sind gerade in mir?
Was erzähle ich mir gerade?
So werden Muster erkennbar und wir nehmen die Fäden der Marionette
wieder selbst in die Hand und wandeln
zum/r Handelnden in unserem Alltag.
Das Bemerken des Körpers, der Gefühle, der Gedanken ist der Beginn der Veränderung.
ausrichten
Nun ein besonders wichtiger Schritt, der ohne die beiden vorigen Schritte jedoch nur schwer möglich ist.
Rufe dir für einen Mini-Moment in Erinnerung:
In welche Richtung möchte ich gehen?
Welche (Seins-)Qualität möchte ich mit meiner Handlung erleben?
Wähle die Qualität, die dir gerade einfällt oder stimme sie mit deiner „Vision“ ab. Ich meine mit Vision kein fertiges Bild, sondern vielmehr eine Richtung, die du bewusst gewählt hast und Schritt für Schritt weiter gehen möchtest.
In der sunday-morning-practice an diesem Sonntag beschäftigen wir uns in sehr entspannter Weise mit deiner Richtung und den gewünschten Qualitäten in deinem Leben. Magst du dabei sein?
Dieses Ausrichten braucht keine Extra-Zeit – doch sie schenkt die Klarheit und dass du in die Richtung gehen kannst, in die du gehen willst.
handeln
nun nimm es in die Hand – handle – und spüre den Unterschied an Kraft, Klarheit und Entspanntheit in deinen Handlungen.
An den Ergebnissen deiner Handlungen ist deutlich spürbar, aus welchem Bewusstseinszustand sie geboren wurden. Du wirst bemerken, dass diese Bewusstheit und klare Ausrichtung beim Tun, Dinge entstehen und wachsen lassen, die dir wichtig sind. Gleichzeitig wird dein Tun kraftvoller und entspannter.
Es fließt von Innen nach Außen.
Vielleicht magst du auch während deiner gesamten Handlung (z.B. Zwiebel schneiden, Auto fahren,…) bewusst dabei bleiben. Deine Körperbewegungen spüren, deine Gefühlsregungen bemerken und deinen Gedanken liebevoll zulächeln? Damit bringst du Achtsamkeit in den gesamten Zyklus deines Tuns:
Zum Beginn – zum Verlauf – und zum Ende jeder Handlung.
Was für ein tief wandelndes „Lernprogramm“, Achtsamkeit sein kann:
Lass dich auf sie ein.
Übe auf dem Kissen und in deinem Alltag.
Übe allein und in der Gruppe.
Übe im Tun und im (Nicht-)Tun.
Tauche jeden Tag etwas tiefer.
Hier noch ein kleines Beispiel, das dir den Zyklus veranschaulichen kann:
Du möchtest dein Kind zu Bett bringen.
bewusst anfangen: Du beginnst bewusst mit dieser „Handlung“ bzw. Abschnitt des Tages. Allein dieses bewusste Anfangen, verändert vielleicht eure Interaktion.
innehalten: Wie fühlt sich mein Körper an? Welche Gefühle fühle ich? Was erzähle ich mir? Das ist oft erschreckend – aber sehr hilfreich.
ausrichten: Welche Qualität möchte durch meine Handlungen fließen lassen? Mir wird da sehr oft bewusst, dass mir nicht Schnelligkeit wichtig ist, die sonst oft unbewusst den Ton angibt. Meist rücken die Qualitäten Geborgenheit und Präsenz in den Vordergrund und machen diesen Zeitraum zu einem ganz anderen Erlebnis (und es dauert dadurch meist nicht länger ;-))
handeln: Zimmer vorbereiten, Zähne putzen, Abendritual, zudecken, küssen,… Schritt für Schritt in die Richtung in die du gehen möchtest – in Einklang mit deinem Kind/deinen Kindern
bewusst beenden: sei dir bewusst, wenn diese Aufgabe beendet ist – bündle sie und wende dich dem nächsten (Nicht-)Tun zu. (neuer Zyklus beginnt)
Solltest du dich gerade bei Gedanken erwischen: „Aaaaah, bei uns geht das doch nicht,…!“ dann lächle ihnen einfach zu und erlaube dir, ihnen nicht sofort zu glauben.
Finde doch eine für dich reizvolle Situation, in der du sofort damit üben möchtest.
Lass‘ mich wissen, wie es dir dabei geht – ich lese so gern von dir!
Viel Freude beim Üben!