aktiv verändern oder passiv transformieren?

Kraftvoll und voller Zuversicht sitze ich nach einem 4-tägigen Retreat nun an meinem Schreibtisch. Die Sonne scheint, die Blätter sind noch etwas nass vom Regen in der Nacht und in den Morgenstunden. Das Wetter spiegelt meinen inneren Zustand und ich bin sehr glücklich darüber. In mir fühlt es sich sehr klar, ruhig und gereinigt an und gleichzeitig ist eine Kraft in mir, die ich seit ein paar Wochen nicht mehr so gespürt habe. Ruhe und Kraft gleichzeitig was für ein Geschenk. Fragst du dich auch manchmal? „Soll ich aktiv verändern oder den Dingen erlauben, so zu sein, wie sie sind?“ „Soll ich aktiv gestalten oder innehalten?“ Diese Fragen werden mir sehr oft in Coachings und in den sunday-morning-practices gestellt. Auch in diesem Retreat (unten schreibe ich dir die Eckdaten auf) wurden – das „aktive Kultivieren“ (aktiv verändern) und – das „passive Transformieren“ (innehalten & geschehen lassen) von Thay Phap An angesprochen. Dieses Thema wurde ein sehr Zentrales für mich, auch wenn es mir erst am letzten Tag bewusst wurde und seit meiner Rückkehr so richtig realisiere: Seit dem beobachte ich meine Praxis und auch meinen Alltag: Wie viel gestalte ich aktiv und wann halte ich inne und kehre zu mir zurück. Wie fühlen sie diese beiden Qualitäten in mir an? Was entsteht durch sie? Diese Fragen sind so aufregend. Meine Vorstellungen über Achtsamkeit brökeln wieder mal und lassen mich Achtsamkeit völlig neu erleben. Dieses „Wissen“ sank eine Region tiefer und entfacht Kraft und ermöglicht frischen Blick. Was für ein Abenteuer! Doch nun von Anfang an: Mir ist Achtsamkeit auf den Körper sehr wichtig. Ich möchte im Körper sein, wenn ich ihn bewege, etwas angreife, gehe oder auch sitze. Es fiel mir in diesem Retreat meist sehr leicht meinen Körper zu spüren, doch etwas fühlte sich nicht stimmig an. Etwas sagte in mir, es fehlt etwas… du musst weitergehen… doch ich kam nicht dahinter, was es sein könnte oder ob es nur ein Zweifel war, der mich hindern möchte. Bis zur letzten Gehmeditation begleitete mich immer wieder das Gefühl. Am Rückweg ergriff meine Mama kurz die Hand und ich ließ sie nicht mehr los. Ich war erstaunt, dass es etwas Mut erforderte, doch wir hielten uns sehr sanft an den Händen. Es war schön mit ihr zu gehen, sie zu spüren und ihr nahe zu sein. Plötzlich schnappte sich eine liebe, liebe Freundin meine andere Hand, sie drückte sie kräftig und plötzlich waren wir eine 4-er Kette. Meine Mama, ich, Uschi und Sister Song Nghiem gingen nun zusammen auf dem breiten Waldweg: Mit einem Mal veränderten sich das Tempo und die Kraft und mich durchfloss eine Stärke, die so wohltuend war. Aus einem achtsamen aber eher zaghaften, schleichenden Gang entstanden Schritte voller Stärke, Gewissheit und Zuversicht. Ich spürte meine Mama zur linken, Uschi zu meiner rechten und auch das energievolle Schreiten der Schwester. Plötzlich war mir klar, was sich in den Bewegungen der letzten Tage unstimmig anfühlte: Ich war achtsam – aber eher innehaltend, zaghaft, zurückhaltend. Doch nun mit den drei Frauen an meiner Seite erlebte ich den anderen Pol: Kraft, Stärke, vorangehen, Energie, die nach Außen geht. Nun war (auch) Achtsamkeit da – aber kein Zurückhalten mehr. Freude erfüllte mich, da ich so unmittelbar spürte, was die Lektion dieses Retreats sein sollte: Ich darf innehalten, zu mir zurückkehren und (gleichzeitig) sehr kraftvoll, gestaltend, aktiv, vorwärts gehend sein – beides gehört zu mir. Die Achtsamkeit schließt das nicht aus. Diese Einsicht wurde durch die Praxis und die inspirierenden Dharma Talks von Thay Phap An vorbereitet und durch die Sangha (Gemeinschaft) blühte sie vollkommen auf. Ich fühlte, dass etwas unrund war, doch ohne die drei Frauen, hätte ich es das „Heilmittel“ nicht direkt spüren können. Ich spürte, dass meine Achtsamkeit (Praxis) beides ist: sie ist innehalten, sanft, (zurück-)haltend, passiv sie ist aber auch kraftvoll, verändernd, gestaltend und handelnd… Schau mal auf deine Praxis: Fühlt sich deine Praxis rund an? Welchen Pol findest du dort vermehrt? Beruhigst du dich immer mit der Praxis oder verleiht dir deine Praxis auch Kraft, Zuversicht? Stoppst (Innehalten) du immer nur durch die Praxis, oder lässt sie dich auch voranschreiten? Nun übertragen wir diese beiden Pole aber auch auf den Alltag und die beiden Fragen: „Darf ich aktiv verändern und gestalten?“ „Soll ich innehalten und die Dinge so sein lassen, wie sie sind?“ Ich spüre nun so tief in mir, dass ich nicht auf einer Seite runterfallen darf. Mein Leben braucht beides: Es braucht mein aktives Gestalten und genauso das Innehalten und sein lassen. Sobald ich einer Seite (auf Dauer) zu viel Gewicht gebe, fühlt es sich unrund an. Wenn ich zu aktiv bin, gestalte, verändere,… werde ich müde und erlaube dem Leben nicht, mitzugestalten. Bin ich hingegen zu sehr im Innehalten… dann spüre ich meine Kraft nicht mehr und Mutlosigkeit schleicht sich ein. Es gibt Phasen in meinem Leben, da ist „Innehalten – mit dem Leben sein, wie es ist“ von großer Wichtigkeit. In den letzten Wochen war mein Sohn länger krank und da hätte mir zu viel Aktion und ein starkes die-Situation-verändern-Wollen nicht geholfen. Es war stimmig innezuhalten und dem Leben zu erlauben, dass es so ist, wie es ist. Doch manchmal, bleibe ich auf dieser Seite hängen und aus dem weisen Innehalten wird Stagnation und Lähmung. Du kennst bestimmt auch ein paar Beispiele dafür, oder? Wie geht es dir, wenn du am Pol Aktion und Kraft festhältst? Es ist oft weise, aktiv zu sein und zu gestalten. Doch es kommt immer der Punkt, wo das Innehalten und Fließen lassen viel unterstützender wäre. Für mich ist es sehr hilfreich in mich hineinzuhören: Was lebe ich gerade mehr? Aktiv oder passiv sein? Braucht mein Leben gerade „gestalten“ oder „im Frieden sein“? Braucht es eine neue Balance? Allein das bewusst sein und Spüren dieser beiden Pole, bringt schon so viel Balance in dein Leben. Balance in deinem Leben? Spür jetzt gleich hin, was brauchst du/dein Leben? Solltest du etwas in Angriff nehmen oder Innehalten und zu dir zurückkommen? Ein hilfreicher Hinweis ist: Was hast du heute vorrangig getan? Warst du eher aktiv/aus dir ausströmend oder hast du innegehalten und vielleicht auch zurückgehalten? Ein Gleichgewicht zwischen aktiv und passiv in unserem Tagesablauf bringt automatisch auch diese Balance in unser Leben. Schau auch deine Praxis an: Wie bewegst du dich, wenn du achtsam bist? Hältst du etwas zurück? Erlaubst du dir auch aktiv zu sein und bewusst zu gestalten? Auch deine Praxis zeigt dir genau, was jetzt gerade dran ist. Ich bin ganz begeistert, dass dieses „Wissen“ nun meinen ganzen Körper erfüllt und dass dieser Aspekt der Achtsamkeit mehr und mehr in mir lebendig wird. Wie geht es dir mit diesem Thema? Magst du mit uns gemeinsam „in dir hören“, was dein Leben gerade mehr braucht? In dieser sunday-morning-practice „still sein – mich hören“ werden wir bewusst mit beiden Polen praktizieren. Wir halten inne und kehren zurück – gestalten aktiv und gehen vorwärts. Hier findest du Infos und kannst dich anmelden. Ich freue mich so sehr, von dir zu lesen oder mit dir gemeinsam in das Thema einzutauchen! Viel Freude beim aktiv Gestalten und Innehalten! Alles Liebe! Infos zum Retreat: Tiefe Dankbarkeit an alle, die dieses wunderbare Retreat ermöglichten: Organisation: Gemeinschaft für achtsames Leben Bayern Lehre: Thay Phap An und Sister Song Nghiem vom European Institut of Applied Buddhism Unterkunft: Domicilium Weyarn