Freude und Leichtigkeit – jederzeit? ohne Bedingungen?

„Wie war das Wanderretreat?“ Das war die häufigste Frage an mich in den letzten beiden Wochen. Freude und Leichtigkeit – ja, das sind die Worte, die unsere gemeinsame Zeit mit den Nonnen und Mönchen (in der Tradition von Thich Nhat Hanh) am besten beschreiben können. Die Stabilität der Berge, der wolkenlose Himmel, die liebevolle Gruppe und die erfahrenen Nonnen und Mönche waren wunderbare Bedingungen für Freude und Leichtigkeit.   Doch waren es wirklich nur die Berge, der See, die Unterstützung der Nonnen und Mönche, oder gab es da ein noch wichtigeres „Zaubermittel“? Ein Zaubermittel, das uns die Schönheit der Berge, die Herzlichkeit der Nonnen und Mönche, das gute Essen,… erst wahrnehmen und wirklich aufnehmen ließ? Ja, wir hatten ein besonderes Zaubermittel dabei: die Praxis der Achtsamkeit Das Zaubermittel für Freude und Leichtigkeit war unsere Praxis: das Gehen im Schweigen, das Spüren des Körpers und Fühlen der Gefühle und das immer wieder zurück kehren zu uns selbst. Ich blätterte gerade in meinen Aufzeichnungen aus meinem vierwöchigen Plum-Village Aufenthalt im Jahr 2007. Immer wieder finde ich dort einen Satz aus den Dharma Talks von Zen-Meister Thich Nhat Hanh:
„Wenn du richtig praktizierst, entsteht Freude! Wenn du in der Praxis leidest, praktizierst du nicht richtig.“
 
Dieser Satz war mir damals sehr wichtig. Ich erlebte eine unbeschwerte Phase meines Lebens, fühlte mich in Plum Village zu Hause und erblickte das Glück, wo auch immer ich hinsah und hinspürte. Damals entlastete mich dieser Satz, denn mein „Psychologinnen-Anteil“ meinte: „Ich bin in Plum Village, um an mir zu arbeiten und einfach nur glücklich sein „bringt nichts“. Wenn ich diesen Satz mit Freunden und Freundinnen teile, bemerke ich oft eine andere Reaktion – eine Reaktion des Widerstands. Diese Aussage macht ihnen Druck, weil sie meinen, sie wären „VersagerInnen- in-der-Praxis“, wenn sie leiden oder müssten ihr Leiden wegschieben. Doch beides impliziert dieser Satz für mich nicht: VersagerInnen in der Praxis: Für mich ist die Freude ein hilfreiches Zeichen oder ein „sichtbarer“ Ausdruck, der mir zeigt, wie ich gerade praktiziere. Praktiziere ich wirklich oder denke ich darüber nach? Bin ich in meinem Körper oder verliere ich mich in meinem Kopf? Ich muss mir keinen Druck machen um sofort wieder in die Freude zu kommen, sondern bemerke, was in mir vorgeht. Sanft lenke ich die Aufmerksamkeit auf meinen Atem und Körper und automatisch kommt bedingungslose Freude als Begleiterscheinung. Ein praktisches Beispiel: Du bemerkst beim Staubsaugen keine Freude. Oft kommt sofort innerlich der Vorwurf: „Du solltest aber Freude empfinden, sonst praktizierst du nicht richtig!“ Nun versuchen wir in den meisten Fällen bewusst Freude zu generieren, aber das Gegenteil entsteht: das ungute Gefühl zu versagen. Lenke stattdessen deine Aufmerksamkeit auf deinen Atem und Körper (nicht auf die Freude) – komm in dir an und beobachte was dabei passiert. Weiter unten gebe ich dir noch ein konkreteres Beispiel, wie du vorgehen kannst. Das Leiden müssen wir nicht weg drängen um Freude zu empfinden. Im Gegenteil durch das „Wegdrängen“ entsteht ein Kampf zwischen „gut und böse“ in uns und das lässt keine Freude entstehen. Bedingungslose Freude ist da, auch wenn wir leiden. (nur oft nicht spürbar, weil wir uns um das Leiden nicht gut kümmern können). Buddha gibt uns im Anapanasati Sutra eine sehr einfache und praktische Anleitung dafür. Er empfiehlt uns: zu unserem Atem zurück zu kehren. Den Körper zu spüren und dann die Spannung loszulassen. Mit dem Ankommen in dir selbst und dem Lösen der Spannung, steigt automatisch Freude auf. Dann weißt du, dass du wirklich praktizierst und nicht nur theoretisch darüber nachdenkst. Wenn du z.B. die Kartoffel schälst – hältst du nicht sofort Ausschau nach der Freude, sondern nimmst zuerst deinen Atem wahr, folgst ihm ein paar Atemzüge und beginnst dann deinen Körper zu spüren. Deinen gesamten Körper und auch die Hände, die die Kartoffel und den Schäler halten. Dabei wird dir wahrscheinlich Anspannung bewusst, die nicht notwendig ist:       Anspannung in deinem Körper: z.B. in deinen Pobacken oder Schultern. Anspannung in deinen Gefühlen: vielleicht hältst du an einem Konflikt in der Arbeit fest oder du bemerkst Unruhe, weil du schon fertig sein möchtest. Anspannung in deinem Geist: weil dir die gleichen Gedanken immer wieder kommen. Wenn wir diese unnötige Anspannung bemerken, passiert fast automatisch Loslassen. Es reicht anfangs völlig, wenn du dir der körperlichen Anspannung bewusst wirst und loslässt, das wirkt sich automatisch auch auf deine Gefühle und deinen Geist aus. Dein Körper wird wieder weich. Die Gefühle fließen in dir – du hältst sie nicht mehr unbewusst fest. Gedanken ziehen wieder durch dich durch bzw. sinken und werden ruhiger. Unwillkürlich entsteht Freude. Bleib dabei und du wirst bemerken, wie sich diese bedingungslose Freude in stilles Glück wandelt. Diesen Schritten (unten findest du die genaue Formulierung der ersten Schritte aus dem Anapanasati Sutra) kannst du immer folgen – auch wenn Leiden in dir ist. Du wirst sofort Erleichterung und sanfte Freude spüren und dann fällt es dir auch viel leichter, dich um dein Leiden zu kümmern. Magst du diese Schritte mit uns üben und bemerken wie einfach die Praxis ist? Magst du falsche Vorstellungen – die sich manchmal im Laufe der Praxis entwickeln – entlarven?

sunday morning practice

Sonntag, 19.11.2017 von 08.00-12.00 Uhr

bedingungslose Freude.

  Klicke hier. Du findest mehr Infos und kannst dich anmelden. Ich wünsche dir viel Freude beim Erforschen der Freude und lese so gern, wie es dir geht – mit Freude und Nicht-Freude, mit Leichtigkeit und überhaupt nicht leicht fühlen. Alles Liebe! Die ersten sechs der 16 Übungen des bewussten Atmens aus dem Buch: Thich Nhat Hanh: „Die Kunst des glücklichen Lebens.“
  1. Ich atme ein und weiß, dass ich einatme. Ich atme aus und weiß, dass ich ausatme.
  2. Ich atme lang/kurz ein und weiß, dass ich lang/kurz einatme. Ich atme lang/kurz aus und weiß, dass ich lang/kurz ausatme. oder (Formulierung von Susanna): Ich folge dem Einatmen vom Anfang bis zum Ende. Ich folge dem Ausatmen vom Anfang bis zum Ende.
  3. Ich atme ein und nehme meinen ganzen Körper wahr. Ich atme aus und nehme meinen ganzen Körper wahr.
  4. Ich atme ein und lasse meinen Körper ruhig und friedvoll werden. Ich atme aus und lass meinen Körper ruhig und friedvoll werden. oder (Formulierung von Susanna): Ich atme ein und lasse Spannung in meinem Körper los. Ich atme aus und lasse Spannung in meinem Körper los.
  5. Ich atme ein und erfahre Freude. Ich atme aus und erfahre Freude.
  6. Ich atme ein und erfahre Glück. Ich atme aus und erfahre Glück.