Genau so ist es nicht dein Job irgendein fernes Ziel zu erreichen,
sondern genau hier – genau jetzt – zu sein.
Aus dieser Gegenwärtigkeit fließt, alles in die richtige Richtung.
Die Reise nach Innen – ein Märchen?
Was passiert, wenn du dich hinsetzt und nichts tust?
Wem oder was begegnest du?
Probiere es für einen Momente aus.
Antworte nicht mit Erinnerungen aus der Vergangenheit.
Antworte nicht mit Worten aus deinem Verstand.
Spüre: „Was passiert, wenn ich mich hinsetze?“
„Wem begegne ich?“
Sirenen, Ablenkungen,…?
Schönheit, Freude, Glück…?
Drachen, Dämonen, Mara,…?
Kleinen Kindern…?
Diese Frage und das neugierige Betrachten, sind spannender als jeder Krimi.
Es ist jeden Tag anders.
Es verändert sich laufend.
Oft haben wir Angst vor diesem Moment.
Oft haben wir Angst vor Langeweile, Angst vor „immer das Gleiche!“ im gegenwärtigen Moment.
Oft laufen wir unbewusst vor ihm weg.
WEIL wir nicht wissen, was uns erwartet oder
WEIL wir glauben, zu wissen, welch‘ furchtbare Monster uns begegnen werden.
Mittlerweile bin ich mir sicher, dass Sagen und Märchen nicht nur äußere Abenteuer, mutige Reisen oder tapfere Kämpfe beschreiben, sondern vor allem das Wagnis, wenn wir unser „Inneres“ entdecken – wenn wir vollkommen gegenwärtig im Moment sein wollen.
Gerade letzte Woche hätte ich eine Sage schreiben können. Ich arbeite gerade intensiv am Online-Retreatzentrum und meine Arbeit besteht neben äußeren Arbeiten (die Website anpassen, Inhalte, Strukturen konzipieren,…) hauptsächlich in innerer Arbeit. Oft gibt es Tage an denen meine Begeisterung und mein Tatendrang voll da sind – an diesen Tagen ist es einfach. Dann gibt es wieder frühe Morgenstunden, an denen es mir gar nicht leicht fällt und ich Zweifeln, Ängsten und Mutlosigkeit begegne.
An diesen Tagen komme ich mir vor, wie eine Heldin (oder eher, wie das Gegenteil einer Heldin) einer Sage oder in einem Märchen. Ich begegne wie Odysseus lüsternen Sirenen, die mich am weiter gehen hindern oder sehr häufig treffe ich auf wilde Dämonen, Drachen oder Mara. Manchmal muss ich mich um kleine innere Kinder kümmern und dann gibt es viele Momente in denen, ich einfach im Paradies des gegenwärtigen Moments weile.
Meine Aufgabe ist nicht das Online-Retreatzentrum bis 01. Okt. fertigzustellen.
Meine Aufgabe ist nicht, mich nur um die äußeren Arbeiten zu kümmern.
Meine Aufgabe ist es, vollkommen hier zu sein, mit allem was mir begegnet.
Meine Aufgabe ist im gegenwärtigen Moment, mit all seinen Gefühlen zu sein.
Denn all dies fließt in das Zentrum ein.
Unter fernes Ziel verstehe ich nicht nur die typischen fernen Ziele, wie ein bestimmtes Diplom, Reichtum, Family… sondern auch innere Ziele wie das Anstreben eines bestimmten Ideals, dem du folgst.
Doch nun zu dir auf die Couch, auf dein Kissen,…
Wem begegnest du, wenn du dich hinsetzt?
Sirenen, Ablenkungen,…?
Schönheit, Freude, Glück…?
Drachen, Dämonen, Mara,…?
Kleinen Kindern…?
Sirenen, Ablenkungen,…?
Die wunderschönen, lüsternen Sirenen begegnen uns oft schon vor wir uns nach Innen wenden und Gegenwärtigkeit üben. Sie zeigen sich in Form von Smartphones, glitzernden Zeitschriften, Fernsehen oder Müdigkeit oder finden andere attraktive oder sogar mühsame Wege uns abzuhalten… doch nach einiger Hartnäckigkeit erfahren wir, dass die Gegenwärtigkeit so viel nährender, tiefer, erfüllender ist, als die Versprechungen der Sirenen.
Schönheit, Freude, Glück…?
Oft sind wir überrascht, der Schönheit, der bedingungslosen Freude und des ruhigen Glücks zu begegnen.
Blüten, die schon seit Tagen unser Herz erfreuen könnten, gewinnen plötzlich an Farbe und Klarheit. Das Reflektieren der Sonne im Tee wirkt geheimnisvoll und wie ein großes Wunder.
Freude steigt ohne jeden Grund auf.
Genau diese wunderschöne „Wirkung“ begegnet uns sehr oft,
wenn wir uns ganz neu auf den gegenwärtigen Moment einlassen.
Wenn der Anfängergeist in uns wach ist –
kein Streben in die Zukunft,
kein Zurückseilen in die Vergangenheit –
ein Niederlassen im gegenwärtigen Moment.
Ein Glück, nachdem wir uns alle im tiefsten Herzen sehnen. Diese Momente fühlen sich wie klare Bäche, so rein, so erfrischend und so wahr an… diese Momente sind wie lang gesuchte Königreiche oder das Paradies.
Ich bin mir sicher, dass du diese Momente kennst und sie dich locken tiefer in diesen „Pfad“ in den gegenwärtigen Moment einzusteigen…
Drachen, Dämonen, Mara…?
Doch nicht immer begegnen wir diesen klaren Bächen – so rein, so klar, so wahr. Oft türmen sich nach anfänglicher Ruhe große Dämonen, sechsköpfige Drachen oder böse Hexen vor uns auf. Mit leisen eindringlichen Stimmen oder gewaltvollem Geschrei, erzählen sie uns genau die Story, die uns davon abhält im gegenwärtigen Moment zu ruhen.
Meinst du in diesen Momenten auch oft, etwas falsch zu machen?
Oft glaube ich, ich müsste mich einfach mehr konzentrieren.
Viele haken bei solchen Begegnungen die Meditation ab.
Oft drehen wir vor ihnen um und flüchten uns in Ablenkung.
Doch diese unheilvollen Wesen begegnen uns, auch wenn wir alles „richtig“ machen, trotz viel Übung.
Stell dich vor: selbst Buddha ist diesen unheilvollen Wesen in Form von Mara begegnet.
Vor seinem Erwachen und auch nach seinem Erwachen.
Buddha setzte sich in der Nacht seiner Erleuchtung mit tiefer Entschlossenheit unter den bekannten Bodhi-Baum (Pappel-Feige) und wurde mit Zweifeln, kleinen Nadelstichen und großen Hieben von Mara angegriffen:
Buddha blieb damit sitzen
Buddha ging damit tiefer.
Thay (Zen-Meister Thich Naht Hanh) erzählt dies so wunderbar in folgendem Text. Dieser Text gibt mir immer so viel Mut, wenn mich Zweifel, Ängste überkommen.
Lausche den wunderbaren Worten von Thay. Ich lese den Text aus dem Buch „Zeiten der Achtsamkeit“, 2008 S. 91-94 vor.
Kennst du Mara?
Wie begegnet er dir?
Hast du ihn heute getroffen?
Es ist so hilfreich ihn besser kennen zu lernen und damit mit all seinen Sticheleien, Angriffen,… besser umgehen zu könnnen.
Ich begegne Mara häufig, wenn etwas Neues entsteht – wie jetzt gerade: kurz vor Eröffnung des Online-Retreatzentrums.
Manchmal spüre ich seine kleinen subtilen Pfeile: „Wer braucht das schon?“
Manchmal begegnet er mir mit hinterlistiger leiser Stimme: „Was hast du schon zu geben?“
Manchmal mit riesigem Geplärr: „Das bekommst du niemals hin!“
Manchmal besonders hinterhältig: „Magst du, es überhaupt noch – war es nur eine Schnappsidee?“
Manchmal verkleidet sich Mara so gut, dass es mir schwer fällt ihn zu erkennen.
In manchen Momenten falle ich auf ihn herein und komm ins Straucheln.
Doch immer öfter, immer schneller fällt mir seine Verkleidung auf und ich erinnere mich daran, wie Buddha damit praktiziert hat.
1. Mara erkennen
2. Zulächeln
3. Die Verbindung zur Erde wieder aufnehmen
Immer wenn ich Mara begegne, sehe ich vor Augen, wie Buddha seine rechte Hand auf die Erde legt und Mara zulächelt. Was für ein liebevoller Umgang mit der oft nicht so hilfreichen inneren Stimme, mit Zweifeln, Ärger, Frustration, Hoffnungslosigkeit,…
Mara trennt. Lässt uns minderwertig oder überlegen fühlen. Doch wir kämpfen nicht gegen Mara – lassen keinen Krieg in uns entstehen – sondern bemerken Mara, lächeln ihm/ihr zu und gehen wieder in Verbindung mit der Erde, mit allem Leben.
Mara trennt und gibt uns dadurch die Möglichkeit wieder bewusst die Verbundenheit mit allem Leben zu spüren.
Erkenne Mara in deinem Alltag.
Lächle im zu.
Lege deine rechte Hand auf die Erde und verbinde dich wieder mit dem Leben.
Kleine Kinder…?
Doch es ist nicht immer nur Mara, wenn uns etwas Unangenehmes im gegenwärtigen Moment begegnet.
Manchmal sind es auch kleine Kinder, die auf sich aufmerksam machen:
in Form von unangenehmen Gefühlen und Schmerz.
Auch hier machen wir nichts „falsch“ wenn sie uns begegnen, sie brauchen nur unsere Gegenwärtigkeit.
Oft meinen wir, dass wir zwischen Mara und schmerzhaften Gefühlen unterscheiden müssen – doch wenn du genau hinschaust, bemerkst du vielleicht, dass die ersten Schritte vollkommen gleich sind und du dich nicht innerlich stressen (bzw. nachdenken) musst, ob es sich nun um Mara oder kleine Kinder handelt.
1. Erkennen – liebevolles Bemerken: „Ja, dieses Gefühl, dieser Schmerz,… ist gerade in mir“
2. Zulächeln – nicht weghaben wollen, sondern zulächeln.
3. Verbinde dich mit deinem Atem und umsorge das Gefühl damit. Wie eine liebevolle Umarmung, Umschmeichelung kann sich dein Atem um das Gefühl kümmern. Das Gefühl darf sich in deinem ganzen Körper ausbreiten und verliert dadurch an Festigkeit und oft auch an Heftigkeit.
Wenn du dies üben möchtest, findest du hier eine sehr hilfreiche Audioaufnahme zum Umgang mit Gefühlen.
Auch dieses Lied („Healing happens all around“) hilft mir sehr und erinnert mich an die Praxis… schon nach ein paar Tönen wird es in mir leichter und ich kann erkennen, zulächeln und mich damit verbinden.
Erkennen und Zulächeln – ja, das ist Achtsamkeit.
„Die Übung der Achtsamkeit ist die Übung des liebevollen Zuwenden“ Thich Nhat Hanh
Erkennen und zulächeln beim Sitzen, beim Tee trinken, in deiner Arbeit, beim Geschirr spülen.
Du bist gegenwärtig.
Erkennen und Zulächeln ermöglicht dir Verbindung mit der Erde oder mit dem Schmerz in dir.
Kein Abspalten (weg haben wollen) – kein unbemerktes Toben in dir – du bist in Verbindung und damit bist du „gerettet“ um in der Sprache der Sagen und Märchen zu bleiben.
Vielleicht sind diese drei Schritte die wundersamen Kräfte, die unsere Helden in Sagen und Märchen dabei hatten und sich so von lüsternen Sirenen und riesigen Drachen nicht überwältigen ließen und dabei kleine Kinder retteten und so an klare, friedvolle Gewässer/Orte finden, die so rein, so wahr, so frisch, so erfüllend sind.
Gleichzeitig ist dieses Abenteuer kein Weg, den wir besonders gut gehen müssen um irgendwo anzukommen. Vielmehr ist genau dieser „Weggedanke“ oft ein Hindernis. Wir begegnen den Sirenen, Mara, den kleinen Kindern,… genau hier im gegenwärtigen Moment und tauchen dadurch tiefer in das Leben.
Ich wünsche dir so viel Freude bei deinem ganz persönlichen Abenteuer und bedenke, die HeldInnen wussten am Anfang und auch in der Mitte ihrer Reise nicht, dass sie HeldInnen sind und selbst mit den wundersamen Kräften mussten sie experimentieren und konnten sie mit der Zeit geschickt einsetzen.
Hinterlasse einen kurzen Kommentar, stelle eine Frage,… ich lese so gern von dir!
Alles Liebe!
Wow, was für ein Dharma-Talk, als ob Thay selber spricht!!! Ich hab’s
3 Mal gelesen! Für mich die Quintessenz: „Doch wir kämpfen nicht
gegen Mara – lassen keinen Krieg in uns entstehen – sondern
bemerken Mara, lächeln ihm/ihr zu und gehen wieder in Verbindung mit
der Erde, mit allem Leben.“ Dass sollte man auf ein Kärtchen
schreiben, immer bei sich tragen, und bei Bedarf zücken und lesen!
Vielen Dank auch für das Vorlesen aus Thays Buch, so schön, und so
akzentuiert jedes Wort jeden Satz vorgetragen.
Ich bin auch wirklich sehr gespannt auf dein Online Retreat-Zentrum,
eine echte Innovation, egal wann genau es nun kommt.